Nachdem das nationalsozialistische Terrorregime in das Orchester eingegriffen hatte und als „Volljuden“ klassifizierte Musiker bereits vertrieben worden waren, mussten nun auch „Versippte“, „Mischlinge“ oder Ausländer ohne Ariernachweis um ihr Verbleiben bangen.

Es existiert ein 22-seitiges Dossier aus jener Zeit, das detailliert Anleitung gibt, wie mit diesen „unpassenden“ Mitgliedern umzugehen sei. Ob zB. eine vorzeitige Außerdienststellung, Beurlaubung, Entlassung, Pensionierung oder (nachträgliche) Kündigung anzuwenden ist. Offenbar machte man sich aber auch Sorgen, ob nach diesem künstlerischen Kahlschlag das Niveau des Orchesters weiterhin aufrecht erhalten bleiben kann. Infolgedessen versuchte man weitere Entlassungen durch sogenannte „Belassungsanträge“ zu verhindern.

Anwendung fanden diese Anträge auf Musiker mit jüdischen Ehefrauen, sogenannten „jüdisch Versippten“ (Scheidungen wurden nur anerkannt, sofern diese bereits vor dem 1. Juni 1938 als rechtsräftig galten), sowie bereits seit dem 1. August 1914 angestellten bzw. im ersten Weltkrieg dienenden „jüdischen Mischlingen“. Wer genau das Glück hatte, auf dieser Liste zu stehen, wurde durch die Staatsoperndirektion festgelegt.

„Auf einem von Wilhelm Furtwängler unterzeichneten schriftlichen Antrag wurde um eine Sonderbewilligung für neun Mitglieder1 angesucht. Argumentiert wurde mit der […] “Aufrechterhaltung der künstlerischen Leistungsfähigkeit und damit des Ranges und Namens der Wiener Philharmoniker […]““

(1) Theodor Hess, Otto Rieger, Ernst Moravec, Richard Krotschak, Karl Maurer, Rudolf Jettel, Hugo Burghauser, Gottfried Freiberg, Josef Hadraba.

Nicht auf der Liste befinden sich die nach der NS-Rassenideologie „versippten“ Musiker Leopold Föderl und Arthur Schurig. Umso bemerkenswerter, da der als „Halbjude“ klassifizierte Otto Rieger problemlos Mitglied der Reichskulturkammer werden konnte! Infolgedessen liegt der Schluss nahe, dass nicht nur lt. Rassenideologie unerwünschte Musiker entfernt wurden, sondern, dass man sich auch gleichzeitig unbequemen/unerwünschten Mitgliedern entledigte!

Wussten Sie schon, dass …

Leopold Föderl als sehr direkt galt und bekannt war für seine liberale Einstellung? Somit war er vermutlich ein Dorn im Auge vieler Kollegen. Zwei Jahre nach Kriegsende stellte die Operndirektion Föderl in Aussicht, als Dirigent wieder in seine angestammte Heimat zurückkehren zu können. Im Sommer 1948 allerdings wurde das Angebot mehr oder weniger wieder zurückgezogen. Zeitgleich wurde es ehemaligen NSDAP-Mitgliedern ermöglicht, ihre Karriere fortzusetzen!